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Traumasensitives Yoga als Heilungschance

  • Autorenbild: Larissa
    Larissa
  • 10. Sept. 2022
  • 4 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 5. Dez. 2023



In diesem Artikel geht es um Trigger, also Auslöser schwieriger Gefühle, Erinnerungen oder Flashbacks. Der Text enthält Beispiele für solche Trigger – wie Traumata, Angst, posttraumatische Belastungsstörung. Bei manchen Menschen können diese Themen negative Reaktionen auslösen. Bitte sei achtsam, wenn das bei dir der Fall ist und suche dir gegebenenfalls Hilfe.


Wertschätzung – das empfinde ich, wenn du diese Zeilen liest. Es bedeutet, du bist proaktiv und übernimmst Verantwortung deine Situation zu verbessern. Wie T.K.V. Desikachar einst sagte, „Yoga erfordert von uns nur, aktiv zu handeln und in unseren Handlungen aufmerksam zu sein." Dies könnte dein nächster Schritt sein.


Die Wirkungen von Traumata sind komplex. Sie haben einen tiefen und langanhaltenden Effekt auf unseren gesamten Körper: Hormone und das autonome Nervensystem geraten aus dem Gleichgewicht. Das Gehirn verändert seine Strukturen. Körperliche Spannungen verbleiben im Körper. Erinnerungen werden von der Psyche verdrängt.


Daraus resultieren viele Symptome: Erhöhte Wachsamkeit, Schreckhaftigkeit, Schlafstörungen, Erinnerungslücken, Wiedererleben in Form von Flashbacks und Alpträumen, Verspannungen, körperliche und emotionale Taubheit, Dissoziation, Vermeidungsverhalten, soziale Isolation und Schmerzen sind nur einige Beispiele.


Um diese Prozesse besser zu verstehen, tauchen wir tiefer in die Funktionen des Nervensystems ein. Das autonome Nervensystem besteht aus dem sympathischen und parasympathischen Nervensystem (PNS). Kennst du den Begriff "Fight, Flight oder Freeze – Response"? Das sympathische Nervensystem nutzt Stoffe wie Adrenalin, um Körper und Gehirn anzutreiben, aktive Maßnahmen zu ergreifen. Die "Fight oder Flight – Response" wird aktiviert, damit genug Energie zum Kämpfen oder Fliehen zur Verfügung steht. Das parasympathische Nervensystem hingegen reguliert grundlegende Körperfunktionen wie Verdauung, Immunsystem, Wundheilung und Schlaf. Es bringt uns in einen regenerativen und entspannten Zustand. Ist das PNS jedoch hyperaktiv, verfallen wir in die "Freeze-Response". Der Körper erstarrt und wird taub. Wie du jetzt schon richtig vermutest, ist es wichtig, dass beide Nervensysteme korrekt interagieren und nicht einzeln die Kontrolle übernehmen.


Es gibt wissenschaftlich-fundierte Beweise über die positive Wirksamkeit von Yoga auf das Nervensystem und die Heilung von Traumata. Die sogenannte Herzratenvariabilität (HRV) ist die Fähigkeit des Herzens sich, auf Veränderungen im Körper einzustellen. Während beispielsweise bei der Einatmung die Herzrate steigt, sinkt sie bei der Ausatmung. Unregelmäßigkeiten bilden also einen gesunden, regulierten Zyklus. Eine hohe Herzratenvariabilität bedeutet, dass der Körper in der Lage ist, auf verschiedene Emotionen zu reagieren und dann zur Mitte zurückzukehren. Posttraumatische Belastungsstörungen sind von einer niedrigen Herzratenvariabilität geprägt. Das parasympathische Nervensystem ist unteraktiv. Eine Studie (Bessel van der Kolk) verglich 8 75-minütige Yoga-Sitzungen mit der gleichen Anzahl von Verhaltenssitzungen und nur die Yoga-Interventionsgruppe zeigte einen Anstieg der HRV und Abnahme aufdringlicher, emotional aufgeladener Erinnerungen. Des Weiteren belegen Untersuchungen den Anstieg der GABA-Säure im Blut durch Yoga. GABA beruhigt aufgeregte Neuronen. Sind die Werte hoch, berichten Menschen von einem positiven und sicheren Gefühl. Bei PTBS-Patienten sind die Werte sehr niedrig. Schaffen wir es durch eine regelmäßige Yogapraxis die Werte zu erhöhen, wird auch automatisch der Vagusnerv aktiviert. Er ist der Hauptnerv des parasympathischen Nervensystems.


„Wenn wir beginnen, eine tiefe Verbindung mit den Bedürfnissen unseres Körpers wiederzuerleben, gibt es eine brandneue Fähigkeit, das Selbst herzlich zu lieben. Wir erleben eine neue Qualität der Authentizität in unserer Fürsorge, die unsere Aufmerksamkeit auf unsere Gesundheit, unsere Ernährung, unsere Energie, unser Zeitmanagement lenkt. Diese verstärkte Fürsorge für das Selbst entsteht spontan und natürlich, nicht als Reaktion auf ein "sollte". Wir sind in der Lage, ein unmittelbares und inneres Vergnügen der Selbstfürsorge zu erfahren."

- Stephen Cope, Yoga and the Quest for the True Self


Sicherlich möchtest du erfahren, was eine trauma-sensitive Yogastunde ausmacht.

Es wird anerkannt, wie mutig du bist, den Weg in deine Yogastunde geschafft zu haben. Schon deshalb wird die Yogapraxis sehr simpel gehalten. Wie bei anderen Stilen auch werden Asanas und Pranayama praktiziert. Meditation wird durch Achtsamkeitsübungen ersetzt. Die Lehrerin erinnert dich regelmäßig in deinem Körper zu bleiben. Gezielt wirst du immer wieder eingeladen, Entscheidungen zu treffen. In welcher Variation möchtest du die Übung ausführen? Korrekturen finden nur verbal und niemals physisch statt. Die gewählten Übungen haben einen positiven Einfluss auf das Nervensystem und steigern die Aktivität des Vagusnervs. Grundsätzlich geht es darum, Rhythmen zu kreieren, die einen Wechsel aus An- und Entspannung bewirken. Alles Erlernte kannst du dann in deinem Alltag anwenden. Wenn du schon länger praktizierst und stabil bist, können Psoas-Release-Übungen zum Einsatz kommen. Du schüttelst dann deine negative, gespeicherte Energie ab. Im Gegensatz zur Gesprächstherapie wird deiner biografischen Geschichte keine Aufmerksamkeit geschenkt. Es geht um das Hier und Jetzt. Die Yogamatte soll dein sicherer Raum sein und dich lehren, eine liebevolle Beziehung zu dir und deinem Körper aufzubauen. Trauma-sensitives Yoga hilft dir dein Nervensystem zu regulieren, Spannungen im Körper und Geist abzubauen und gibt dir Tools an die Hand, die du außerhalb der Yogastunde in triggernden Situationen anwenden kannst.

Hier findest du die Zusammenfassung der positiven Effekte von traumasensitivem Yoga:


Du …

  • kommst zurück ins Handeln

  • lebst im Hier und Jetzt

  • stärkst dein Körpergefühl

  • verminderst innere und körperliche Taubheit

  • steuerst den Wechsel von An- zu Entspannung

  • regulierst das Nervensystem

  • verbesserst deine Herzratenvariabilität

  • stärkst deinen Vagusnerv

  • unterbrichst das Gedankenkarussell

  • praktizierst Selbstliebe

  • lernst Triggersituationen zu meistern

  • verbesserst deinen Schlaf

  • kommst aus der sozialen Isolation

  • erhöhst den GABA-Säuren Gehalt im Blut

  • verminderst Stresshormone

  • löst körperliche Spannungen

  • verbesserst deine Wahrnehmung

  • lernst was, dir guttut

  • lernst Grenzen zu setzen und deine eigenen zu respektieren

  • fühlst dich wieder wie du selbst


Der Teil in dir, der heilen möchte, ist stärker als das Trauma.


Mit diesem Artikel möchte ich Mut spenden. Yoga kann dich auf deinem Weg zu einem Leben voller Selbstvertrauen und Lebensfreude unterstützen, dir dein Körpergefühl zurückbringen, Spannungen abbauen und dein Nervensystem regulieren. Jedoch möchte ich keine allgemeingültigen Heilungsversprechen geben. Die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse besagen, dass eine Kombination aus Körper- und Psychotherapie am wirksamsten bei der Behandlung von posttraumatischen Belastungsstörungen sind. Deshalb begrüße ich es sehr, wenn du neben der Yogastunden in psychotherapeutischer Behandlung bist.


Bitte denke daran: Du bist es wert, Heilung zu finden.


Namasté,

deine Larissa



Quellen (und auch Ressourcen für dich):

The Body Keeps the Score – Mind, Brain and Body in the Transformation of Trauma, Bessel van der Kolk

Overcoming Trauma through Yoga – Reclaiming Your Body, David Emerson and Elizabeth Hopper

Healing Trauma with Yoga – Go from Surviving to Thriving with Mind-Body Techniques, Beth Shaw

 
 
 

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